DFG-Projekt: Die pädagogisch-didaktische Transformation der nationalsozialistischen Ideologie in den Fibeln des Nationalsozialismus (FiNa)
Projekt - Fak. 1 - Institut für Erziehungswissenschaft - Allgemeine Pädagogik
Status:abgeschlossen
Kurzinhalt:In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus richtet sich das Forschungsinteresse insbesondere in der Geschichtswissenschaft derzeit verstärkt auf die Rekonstruktion der sozialen Praktiken zur „Herstellung“ der „Volksgemeinschaft“ im Spannungsfeld der Konstitution von Zugehörigkeit und Ausschluss (vgl. u.a. Schmiechen-Ackermann 2012). Aus pädagogischer Perspektive ist in diesem Zusammenhang die Frage von Interesse, wie die Kinder in die generationale Ordnung eingebunden und auf die künftige Mitwirkung in der „Volksgemeinschaft“ vorbereitet werden sollten. Dabei lässt sich das pädagogische Handeln im Nationalsozialismus nicht auf ein „unpädagogisches“ Handeln reduzieren, sondern es ist vielmehr notwendig, die pädagogische Praxis in ihrer Ambivalenz „der Gleichzeitigkeit von Zwang und Freiheit“ mit ihren verschiedenen Handlungsoptionen differenziert zu betrachten und dabei zugleich die inhärente gewaltförmige Wirkungserwartung im Sinne einer Anbahnung repressiver Verhaltensmuster zu berücksichtigen (vgl. Tenorth 2003, 12, 20).

In dem hier vorzustellenden DFG-Projekt wird diese Problemstellung in Bezug auf die Inhalte und die Methoden nationalsozialistischer Erziehung im ersten Jahr der Volksschulunterstufe untersucht. Im Zentrum der Analyse stehen dabei die Mechanismen der Indoktrination als methodisch-didaktische Ausgestaltung der Formierung des „deutschen Kindes“. Um diesen Prozess in seinem Bedingungsgefüge erfassen zu können, orientiert sich die Untersuchung an einem Konzept der historischen Unterrichts- und Kindheitsforschung, mit dem das unterrichtliche Handeln im Kontext der Schulgrammatik verortet wird („Grammar of Schooling“, vgl. Tyack/Tobin 1994).

Als maßgebliche Quelle wird hierbei auf Schulbücher, insbesondere Fibeln, als Teil des „pädagogischen Gedächtnisses“ zurückgegriffen (vgl. Catteeuw/Depape/Simon 1998, 317), auf deren Grundlage sich zentrale Deutungsmuster zur pädagogisch-didaktischen Konzeptionalisierung der Formierung künftiger „Volksgenossen“ sowie die zugrundliegenden Kindheitsbilder untersuchen lassen. Die Basis der vollständigen kategoriengeleiteten Inhaltsanalyse bildet ein repräsentatives Korpus von 113 Erstlesebüchern. Ergänzt wird diese Erhebung durch die diskursanalytische Aufarbeitung der zeitgenössischen pädagogisch-psychologischen Diskurse zum Lesen- und Schreibenlernen, zur ästhetisch-pädagogischen Bedeutung der Schriftformen, zur ästhetisch-pädagogischen Funktion der Illustrationen sowie ferner durch die Rekonstruktion der bildungs- und verlagspolitischen Steuerungsversuche.

Literatur

Catteeuw, K. / Depaepe, M. / Simon, F. (1998): Forschungsprojekt „Pädagogisches Gedächtnis Flanderns“. In: Internationale Schulbuchforschung 20, 313-325.

Schmiechen-Ackermann, D. (2012): „Volksgemeinschaft“. Mythos der NS-Propaganda, wirkungsmächtige soziale Verheißung oder soziale Realität im „Dritten Reich“? Einführung. In: D. Schmiechen-Ackermann (Hg.): „Volksgemeinschaft“. Mythos, wirkungsmächtige soziale Verheißung oder soziale Realität im „Dritten Reich“? Zwischenbilanz einer kontroversen Debatte, Paderborn u.a.: Schöningh, 13-54.

Tenorth, H.-E. (2003): Pädagogik der Gewalt. Zur Logik der Erziehung im Nationalsozialismus. In: Jahrbuch für Historische Bildungsforschung 9, 7-36.

Tyack, D. / Tobin, W. (1994): The „Grammar“ of Schooling: Why Has it Been so Hard to Change? American Educational Re-search Journal 31, 453-479.


[kürzen]
Projektdauer:01.04.2013 bis 31.03.2016
Projektbeteiligte:
Prof. Dr. Heinze, Carsten (Leitung) [Profil]

Dr. Kristin Straube-Heinze

Vorträge:
Heinze, C.: Ganzheitspsychologie und politische Pädagogik – Die nationalsoz. Instrumentalisierung des Konzepts der ‚Ganzheit‘ im Werk Hans Volkelts. Vortrag auf der Tagung des Lehrstuhls für Systematische Theologie an der Universität des Saarlandes, Prof. Dr. Lucia Scherzberg, „Diskurse über ‚Form‘, ‚Gestalt‘ und ‚Stil‘ in den 1920er- und 1930er-Jahren“, Robert-Schumann-Haus Trier, 16.–18. Januar 2015.
Heinze, K./Heinze, C.: The Educational Conceptualisation of the „Ethnic Community (Volksgemeinschaft)“ in National Socialist Primers by the Example of Presentations of Adolf Hitler – Methodical Prospects. Vortrag auf der Konferenz „‚The source of child’s learning…’. The role of primers and basal readers through time and cultures“, State Ushinsky Scientific Pedagogical Library, Moscow, 8.–12. Oktober 2014.
Heinze, C.: On the Paedagogisation of Knowledge Orders. Discourse-Analytical Approaches and Innovation-Theoretical Perspectives, Vortrag und Workshop im Rahmen des Promotionsprogramms des Vestfold University Colleges (Ph.D. program in pedagogical resources and learning processes in kindergarten and school), 11. Februar 2014.
Heinze, C.: Die Ästhetisierung der Gewalt in der Pädagogik des Nationalsozialismus am Beispiel der Fibel. Vortrag auf der Jahrestagung der Sektion Allgemeine Erziehungswissenschaft in der DGfE „Bildung und Gewalt“, Universität zu Köln, 19.–21. März 2013.
Heinze, C.: Zur Pädagogisierung von Wissensordnungen. Diskursanalytische Zugänge und innovationstheoretische Perspektiven, Keynote auf der internationalen Tagung der Internationalen Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung „Methodenfragen in der Schulbuch- und Lehrmittelforschung“ Brno, 27.–29. September 2013.
Heinze, C./Heinze, K.: Heroism and ethnic community in National Socialist education 1933–1945. Vortrag auf der International Standing Conference for the History of Education (ISCHE) 37: „Culture and Education“, Istanbul University, 24.–27. Juni 2015.
Heinze, C./Heinze, K.: Die pädagogisch-didaktische Transformation der nationalsozialistischen Ideologie in den Fibeln des Nationalsozialismus am Beispiel des Führer- und Heldenkultes. Vortrag im Rahmen des Forschungskolloquiums der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, 04. November 2015.
Publikationen:
Heinze, C. (2014): On the Paedagogisation of Knowledge Orders. Discourse-Analytical Approaches and Innovation-Theoretical Perspectives. In: P. Knecht/E. Matthes/S. Schütze/B. Aamotsbakken (Hg.): Methodologie und Methoden der Schulbuch- und Lehrmittelforschung. Methodology and Methods of Research on Textbooks and Educational Media. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 74–84.
Heinze, K./Heinze, C. (2014): The Educational Conceptualisation of the „Ethnic Community (Volksgemeinschaft)” in National Socialist Primers by the Example of Presentations of Adolf Hitler – Methodical Prospects. In: History of Education & Children’s Literature, Jg. IX, 2, S. 185–200 (peer reviewed).
Heinze, C. (2016): Die Ästhetisierung der Gewalt in der Pädagogik des Nationalsozialismus. In: J. Bilstein/J. Ecarius/U. Stenger (Hg.): Bildung und Gewalt. Wiesbaden: Springer VS, S. 213–232.
Heinze, C./Straube-Heinze, K. (2017): Heroism and „Volksgemeinschaft” (ethnic community) in National Socialist education 1933–1945. In: Paedagogica Historica: International Journal of the History of Education, Jg. 53, 1–2, S. 115–136, online first: http://dx.doi.org/10.1080/00309230.2016.1229351 (peer reviewed).
Straube-Heinze, K. (2018): Empirische Kinderforschung im Dienst der Ideologisierung des Lesenlernens im Nationalsozialismus. In: Zeitschrift für Grundschulforschung, Jg. 11, 1, online first: https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs42278-018-0003-7 (peer review).
Heinze, C. (2017): Ganzheitspsychologie und politische Pädagogik – Die nationalsozialistische Instrumentalisierung des Konzepts der ‚Ganzheit‘ im Werk Hans Volkelts. In: Leugers-Scherzberg A. H. / Scherzberg L. (Hrsg.): Diskurse über „Form“, „Gestalt“ und „Stil“ in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Saarbrücken: Universaar, S. 195-216.
Verweis auf Webseiten:
Projekthomepage
keine
Angehängte Dateien:
keine
Erfasst von Prof. Dr. Carsten Heinze am 03.04.2013
Zuletzt geändert von Prof. Dr. Carsten Heinze am 18.02.2018
    
Projekt-ID:185